...und immer möchte ich um dieses Wasser biegen
Jette Held hat für ihre Zusammenfassung verschiedener Serien den poetisch anmutenden Titel “...und immer möchte ich um dieses Wasser biegen“ gewählt. Er erzählt von dem Wunsch der Künstlerin nach einer beständig sich wiederholenden Aneignung ihres Umgebungsraumes, in der sie den Spuren des dort vorkommenden Wassers folgt. Das Element Wasser ist zentral in allen ihren Arbeiten und steht, nicht nur aufgrund seiner Wandlungsfähigkeit in verschiedene Aggregatzustände, für Transformation und Bewegung. In den Arbeiten Jette Helds scheint ein Staunen eingeschrieben zu sein, das sich bei der Betrachtung ausbreitet, anknüpfend an die Worte Loren C. Eiseleys „If there is magic on this planet, it is contained in water“.
Ihre Herangehensweise ist ein Prozess, der durch das genaue Sehen und genaue Arbeiten an Details eine extreme Präsenz und Dichte aufweist. Im Fokus steht immer das Wasser als primärer Bestandteil, mal als flüssiges, fließendes Wesen, mal in gefrorenem Zustand als Schnee und Eis. Jette Held beschreibt ihre Herangehensweise als die einer künstlerischen Forscherin. Ihre seriell angelegten Arbeiten sind niemals abgeschlossen und werden von ihr kontinuierlich erweitert. Dabei verfolgt sie keinen traditionell-dokumentarischen fotografischen Ansatz. Vielmehr befragt sie die menschliche Wahrnehmung. Das Sehen wird trainiert, das genaue Hinschauen. Ihre Fotogramme lassen sich so wenig auf die Schnelle erfassen wie ihr Entstehungsprozess. Die Künstlerin schlägt einen Perspektivwechsel im Sehen vor, indem sie die Sicht auf etwas richtet, das nicht zwingend wahrgenommen wird. Das als bild -und objektwürdig erachtete Wasser ist immer schon da, es wird lediglich aus seinem jeweiligen Zusammenhang herausgelöst und in das Ausstellungsdisplay überführt. Einige Fotogramme erinnern an Filmtills, ohne Rahmung gehängt, das Papier nach unten gewellt. Der Bildträger passt sich hier dem Motiv an, der Charakter der Bewegung inhärent. Durch die ausschnitthafte Darstellung des Wassers findet eine Abstrahierung der Wirklichkeit statt. Das Fotopapier fungiert als Abdruck. Der Begriff der “Spur”, dem fotografischen Diskurs entlehnt, ist vielleicht besonders geeignet, einen Moment in den Arbeiten der Künstlerin zu beschreiben, der mir charakteristisch scheint, ein Moment, der zwischen Wiedererkennen und Fremdbleiben changiert. So eröffnet sich ein über den Anthropozentrismus hinausdenkender Dialog.
Autorin: Anne Loock, Kunstwissenschaftlerin, Wolfenbüttel
Aus: Ausstellungskatalog zur Ausstellung "...und immer möchte ich um dieses Wasser biegen" Kunstraum Tosterglope, 2024
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